Ellen R. Dornhaus
Kommentar von Dr. Heidrun Wirth zur Ausstellung
Ellen Dornhaus wohnt in der "Waldstrasse", unmittelbar am Rande des Kottenforst. Den angrenzenden Wald hat sie in Coronazeiten
noch einmal neu für ihre Kunst entdeckt. Sie sieht ihn mit den Augen einer Künstlerin, die sich für die Fotografie entschieden hat.
Malerei und Zeichnung scheinen darin enthalten zu sein, denn der Künstlerin gelingt es, "malerisch" zu fotografieren.
Entstanden sind Kompositionen in einem sorgfältig gewählten Konzept von Farben und Linien, von Helligkeit und Dunkel,
von scharf Gesehenem und verwischt Gehaltenem. Es sind spannungsvolle Bilder und solche, die das Auge zum Verweilen einladen:
"Ich bin eigentlich Malerin. Durch die Kamera bediene ich mich eben nur des Datenmaterials, statt Farben und Pinsel zu nehmen.
Doch mein Ziel ist das gleiche, nämlich ein Bild überzeugend werden zu lassen, ob ich die Schärfe einstelle und den
Reliefcharakter betone, oder ob ich weiche diffuse Übergänge schaffe, wenn etwas "Märchenhaftes oder vielleicht auch
Unheimliches dabei herauskommen soll."
Welche Farbenvielfalt : ein Gebirgsbach, der über moosiges Gestein führt. Es ist ein Spiel zwischen dunklem Graugrünblau
und den weiß schäumenden Strudeln im Bach. Am Ufer finden sich die impressionistischen Grüntupfer eines Busches im Gegensatz
zu sperrigen Strichbündeln von angeschwemmtem Reisig. Licht gegen Schatten, dynamische Bewegung gegen ruhige stille Wasserflächen.
Die Augen wandern durch den Sommertraum, in dem sich ebenso Kindheit und Urlaub, Staunen und Entspannung vermengen.
Die Künstlerin sagt: "Ich glaube, die Farbe bewegt uns mehr emotional, auch die kann ich beeinflussen, aus einem Blaugrün mache
ich manchmal ein Gelbgrün." Dabei geht es ihr aber nicht wie den Expressionisten ums Verfremden der Farben, sondern um ein
sanftes Vertiefen, ein malerisches Hervorlocken, das durch Farb- und Lichttemperatur unterstrichen wird.
Der Februar in der Waldau ist anders, eine eher strenge filigrane Zeichnung mit einem feinen dünnen Liniengefüge auf hellem Grund.
"Meine Bilder sind alle inszeniert", sagt die Künstlerin, die in Düsseldorf noch in der Beuysschen Zeit Kunst studiert hat.
Auch dies Bild, das auf den ersten Blick wie eine Radierung wirkt, ist genau konzipiert. Vom horizontal gestrichelten Waldboden
züngeln die dicken Stämme der Buchen und Eichen vertikal in die Höhe bis zu einem ineinander geflochtenen dichten Dach der Baumkronen.
In der Spätromantik praktizierte Alfred Kubin eine ähnliche grafische Feinstrichigkeit, die bei ihm ins Surreale rutschte, bei
Ellen Dornhaus zeigt sich das Surreale nur in leichten Anflügen wie bei der Wurzel. Dieser sanfte Surrealismus ist sensibel subtil
auch im Malerischen zu entdecken bei dem Spielplatz im Wald oder bei einem seltsamen Hochstand, der aus dem Nebelwald ragt.
Durch die fotografische Konversion, das heißt, durch den Austausch zwischen Negativ und Positiv ergibt sich ein schwarz-weißer
Minimalismus, wie ihn das Auge auch bisweilen in verschneiten Winterlandschaften finden kann.
Anders der Herbstwald. Keine strenge Reduktion mehr, sondern ein Fest von warmen atmosphärischen Farben, Ton in Ton, von einem milden
Sfumato umfangen, wie es in der Renaissance erfunden wurde, um die weichen Übergänge in Porträt und Landschaft zu schaffen. Das goldene
Laub wird zum funkelnden Lichtregen, ein heller Baumstumpf im Licht steht dunklen Stämmen gegenüber, Zeit auch für die Vanitas-Gedanken.
Voll ausgefahren sind sie in dem toten Vogel, der in seine natürliche Umgebung überzugehen scheint. Das Bild erinnert aber auch an die
niederländischen Jagdstillleben aus dem 17. Jahrhundert, allerdings ohne deren Optimismus einer tatkräftigen Machbarkeit, wie sie damals
noch von einem anthropozentrischen Menschenbild ausging.
Aus Doppelungen und Überschneidungen ist in dem Querformat Geäst eine gleichmäßige Struktur entstanden. Es ist ein einziger
seriell verdreifachter Baum, in dem sich das Geäst mäandrierend zu Ornamenten fügt. Serielle Ornamente sind Rhythmen, die wir in der
Kunst kennen vom Jugendstil bis in die Op-Art-Kunst der 60er Jahre.
Alle Details scheinen gleichberechtigt mitzuschwingen. Jedes Detail ist gleich wichtig, nichts muss besonders ins Rampenlicht gerückt
werden. Bei diesem ehrwürdigen Baumriesen fällt diese wunderbare Kräfteverteilung bis in die feinsten Zweige der Krone gerade im Winter
besonders ins Auge.
Wer nun allerdings meint, dass es der schnelle Klick auf den Auslöser ist, der die Malerei und die Zeichnung oder die grafischen
Handdruckverfahren überholt hat, der irrt sich. Es dauert oft eine ganze Woche, bis Ellen Dornhaus, die eigentlich von der Malerei herkommt,
mit der fotografischen Bearbeitung so weit zufrieden ist, dass sie ein Blatt ausdrucken möchte.
Heidrun Wirth